23 Oktober, 2006

Trinität II

Am Anfang der Trinitätstheologie ging es um die Frage: Wer ist Jesus Christus im Verhältnis zu Gott, dem Vater. Wenn Gott einer ist und dieser eine Gott der Schöpfer ist, wer ist dann Jesus, der Dinge getan hat, die nur Gott zugestanden werden können, z.B.: Sünden zu vergeben? Auf dem Konzil von Nicäa wurde 325 n. Chr. unter der Leitung des Kaisers Konstantin die Aussage erkämpft: Jesus ist mit Gott wesensgleich.

Das ist eine Qualitätsaussage, die impliziert, dass Jesus zwar in menschlicher Gestalt, aber doch zugleich zu 100% als Gott wahrgenommen werden soll und nicht nur zu 99,99... %. Der Christ soll es gänzlich mit Gott selbst zu tun bekommen und niemals mit etwas Geringerem als diesem. Das ist die steile und zentrale Aussage dieser theologischen Lehraussage, die in dieser Welt immer wieder von innen und außen angefochten wird.

Muslime werfen mir im Gespräch oft vor, dass ich als Christ durch Jesus nur mit einem Mittler zu tun hätte, er aber als Muslim indessen vor Gott selbst stehe.

Dies ist natürlich sehr oberflächlich gedacht und diese These geht davon aus, das Jesus, wie sie sagen „nur“ Prophet sei. Gleichzeitig muss man aber den Muslim zurück fragen, was er denn damit meint, wenn er sagt, er stünde selbst vor Gott? Normalerweise meint er damit, dass er allein mit seinen Taten vor Gott verantwortlich ist. Er betont seine Verantwortung vor Gott, die er nicht delegieren kann und will. Das ist aber rein forensisch gedacht: er steht vor Gott als seinem Richter und Herrn, dem er ergeben sein soll und vor dem er recht handeln muss. Der Christ kennt Gott zwar auch als seinen Richter, aber viel mehr noch kennt er ihn als seinen Vater. Der Ausdruck Vater ist ein Beziehungsbegriff, der auf Gott angewendet bei Muslimen allerdings ein Gefühl des größten Unbehagens auslöst. Der Begriff Vater impliziert nämlich den Sohn und genau jene Sohnschaft darf es im Islam nicht geben. Gott ist der ganz Andere, der unteilbar Eine, von dem nichts ausgeht, wie es in Sure 112 deutlich zum Ausdruck kommt:

qul huwwa ahad.
allahu samad.
lam yalid wa lam yūlid
wa lam yakun lahu kufūan ahad.

Sprich: Er ist einer.
Gott ist samad*.
Er zeugt nicht und wurde nicht gezeugt
und nicht eines ist ihm gleich.

*(„ewig und solide“, keiner weiß, was es genau bedeutet.)


Es gibt im islamischen Gottesbild nichts Zweites neben Gott, dass gleichen Wesens mit ihm wäre, im Sinne einer Ebenbürtigkeit. Kein Zeugen und kein Gezeugt werden. Gott kann nicht mit dem Endlichen, dem nicht solide Göttlichen in eine wechselseitige Beziehung treten. Es gibt keinen Touchdown und noch weniger eine Inkarnation. Gott kann und darf sich nicht mit Innerweltlichem kontaminieren. „Allahu akbar!“ Gott ist [immer] größer. Nicht zuletzt von dieser Sure 112 leitet sich das ganze Konzept des radikalen Monotheismus ab. Gott ist absolutes Subjekt.


Und indem nun der Muslim sich diesem Subjekt Gottes ergibt, erfährt er Obhut. Denn es heißt: „Lā qūwa illā bil-llahi.” Es gibt keine Kraft außer in Gott (18,39). Ein Satz, der hier in Assuan und allgemein im Mittleren Osten auf vielen Dingen steht. Ich habe es gerade gestern wieder an einem Boot geschrieben gesehen. Was auch immer geschieht: Es ist immer Gottes Wille. An dieser Stelle gibt es dann auch keine Zweifel mehr. Der Mensch braucht nicht mehr zu grübeln. Im Ja sagen zu Gottes absolutem Subjektsein und absoluter Kraft, findet der Muslim Frieden, weil er auf die Seite Gottes weicht und in allem, was er dann noch erfährt, Gott in seinem Rücken glaubt. In Sure 18, 23 heißt es: „Und sprich von keiner Sache: »Siehe, ich will das morgen tun«, Es sei denn »So Gott will.« (inšā allah)“. Auch hier: Die Tatkräftigkeit des „Ich“ hängt gänzlich von Gott ab. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich am Beginn meiner Zeit im Mittleren Osten einen Taxifahrer bat, bei der nächsten Straße nach rechts abzubiegen und er unmittelbar antwortete: „inšā allah!“ und mich das damals sehr befremdete. Heute benutze ich diesen Satz selbst als Floskel mit dem man wunderbar vermeiden kann, verbindliche Zusagen treffen zu müssen. Diese überall anzutreffenden Verse gehören mit ihrem Inhalt des absoluten Willens Gottes zur zentralen Ästhetik im Mittleren Osten.


Der Koran kennt keine Klagepsalmen. Die Antwort auf die Widerfahrnisse dieser Welt werden Gott und seinem Willen anheim gestellt. „Und ob ich verzweifelte, was geht es mich an?“, so oder so ähnlich könnte es der Muslim mit Günter Anders sagen. In dieser Konsequenz ist Gott das Subjekt - nicht mehr der Mensch!

Dies wird an einem Beispiel aus dem Sufismus sehr schön anschaulich, dem mystischen Zweig des Islam. Das Ziel des islamischen Mystiker ist es in Gott zu „entwerden“, d.h. im Grunde in Gott aufzugehen, mit ihm zu verschmelzen, sich mit ihm zu vereinen. Der berühmte Mystiker Al-Halāj (hingerichtet 922) sagte auf diesem Hintergrund: „Ana-l-haqq“. Ich bin die Wahrheit (Gott). Dies spricht nun nicht er – wie das von seinen Gegnern falsch aufgefasst wurde - , sondern dies spricht Gott durch ihn, den Gott-Entwordenen, als performativer Akt Gottes. Hier wird deutlich, dass in letzter Konsequenz das Subjektsein des Menschen im islamischen Denken in seiner Tiefe zweifelhaft bleibt, wenn es sich auf Gott hin beziehen will.


Kommen wir zum orthodoxen Islam zurück. Sind die Gläubigen im Islam durch den absoluten Willen Gottes nicht zu seinem reinen Objekt geworden (Voluntarismus), die nur Frieden finden, wenn sie sich in dieses Konzept ergeben? Nun wird aber kein Muslim bestreiten wollen, dass er sich nicht irgendwie auch als Subjekt erlebt. Daher formulierten die Theologen im Islam, dass das Subjektsein, z.B. im Aspekt des freien Willens, erst erworben (kasaba) werden muss. Ein Ausdruck der auch im Koran erscheint (2,79.286). Wie man sich das praktisch vorstellen soll, bleibt mir ein Rätsel, denn der Erwerb als Akt, setzt ja wiederum ein klares Subjektsein voraus. Hier fehlt mir die Anschauung.


Ich möchte damit sagen, dass das pure Eine (Gott im Islam) genauso problematisch sein kann wie das Dreieine. Das absolute Eine entfaltet seine Problematik im Bezug auf das Verhältnis zum Anderen, wenn dieses Andere selbst Subjektsein beansprucht und das Dreieine entfaltet seine Problematik in Bezug auf sich selbst, wenn dies arithmetisch durchleuchtet wird.


Aber, und nun kommen wir zu einer ersten Pointe der Trinität: Das Dreieine entfaltet eine unglaubliche Integrations- und Beziehungskraft in Bezug auf das Verhältnis zum Anderen und jeglichem Zweiten, also auch zu unserem Menschsein (und nicht zuletzt auch zu unserem gebrochenen Menschsein!)


Will sagen: Ein Gott der für uns Menschen in alle Ewigkeit eine wechselseitiges Gegenüber sein will, muss plurale Momente einschließen können (trinitarisch sein), wenn dieser Gott zu uns Menschen als beziehungsfähig gedacht werden soll und nicht als Gott in bewusster Unfruchtbarkeit für alle Ewigkeit als beziehungslose, unerreichbare Einsheit überdauern will.


Fortsetzung folgt

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