27 September, 2006

Trinität I

Als der Papst Benedikt XVI. am Dienstag, 12. September 2006 seine Rede zu dem Thema: Glaube, Vernunft und Universität hielt, war die Welt kurze Zeit später intensiv dabei, sich mit einem unglücklichen Zitat aus dieser Rede zu beschäftigen, das ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte. Dabei ging es dem Papst um die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft.

Der Papst zitiert Kaiser Manuel II. und dieser sagte außer dem umstrittenen Zitat noch folgendes:

„Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann...".

Der Papst fährt fort:

"Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. "

An dieser Stelle wurden einige Muslime ebenfalls sehr aufgebracht, weil sie den Sachverhalt doch eigentlich immer umgekehrt gesehen haben. Nicht Muslime sind unvernünftig, sondern die Christen, denn die glauben an einen dreieinen Gott und das sei doch absurd. Wir gehen weiter unten darauf ein. Aber hören wir weiter, was Benedikt sagt:

"Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und daß nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben.

An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, daß vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das immer und in sich selbst? Ich denke, daß an dieser Stelle der tiefe Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist, und dem auf der Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird. Den ersten Vers der Genesis, den ersten Vers der Heiligen Schrift überhaupt abwandelnd, hat Johannes den Prolog seines Evangeliums mit dem Wort eröffnet: Im Anfang war der Logos. Dies ist genau das Wort, das der Kaiser gebraucht: Gott handelt „σὺν λόγω”, mit Logos. Logos ist Vernunft und Wort zugleich – eine Vernunft, die schöpferisch ist und sich mitteilen kann, aber eben als Vernunft. Johannes hat uns damit das abschließende Wort des biblischen Gottesbegriffs geschenkt, in dem alle die oft mühsamen und verschlungenen Wege des biblischen Glaubens an ihr Ziel kommen und ihre Synthese finden. Im Anfang war der Logos, und der Logos ist Gott, so sagt uns der Evangelist. Das Zusammentreffen der biblischen Botschaft und des griechischen Denkens war kein Zufall. Die Vision des heiligen Paulus, dem sich die Wege in Asien verschlossen und der nächtens in einem Gesicht einen Mazedonier sah und ihn rufen hörte: Komm herüber und hilf uns (Apg 16, 6 – 10) – diese Vision darf als Verdichtung des von innen her nötigen Aufeinanderzugehens zwischen biblischem Glauben und griechischem Fragen gedeutet werden."

Genau an dieser Schnittstelle treffen wir auf die selbe Sachlage, was das Denken über die Dreieinigkeit Gottes angeht, denn der Begriff „Trinität“ ist ja kein biblischer Ausdruck. Das Wort kommt als solches nicht in der Bibel vor. Vielmehr ist es eine Vokabel, die aus der Begegnung mit dem Begriffsapparat griechischer Philosophie und seinen Fragestellungen erst entwickelt wurde. Das „Komm herüber“ aus Apg. 16 bedeutete ein Heraus aus einer jüdisch alttestamentlich semitisch geprägten Welt hinein in eine heidnisch griechische bzw. hellenistische Gesellschaft, eine Kultur mit anderen Fragen. Die Griechen fragten z.B. nach dem "Ding an sich". Zum ersten Mal gab es ontologische Fragen, also Fragen, die das tiefere Sein betreffen. Man fragte dahinter. Man ging dem Sein auf dem Grund. Was bis dahin den ersten Christen genügte, nämlich an Gott den Vater und Schöpfer zu glauben und an Jesus Christus, den Messias, seinen menschgewordenen Sohn und an den Heiligen Geist stellte niemand vor ontologische Probleme. Keiner fragte nach dem tieferen Wesen von Vater, Sohn und Geist und wie diese sich zueinander verhielten. Das wurde anders, als sich das Evangelium immer weiter in Richtung heidnisch-griechische Welt ausbreitete. Plötzlich war da also die Überlegung: Wenn Gott-Vater Gott ist und sein Sohn Gott ist und das auch für den Heiligen Geist gilt, dann sind dies doch drei Götter und wie verhält sich dieses dreimalige Gottsein nun zu seinem Einssein? Das ist die Grundfrage der Trinitätslehre.

Um es vorweg zu nehmen: Diese Frage lässt sich mit den Möglichkeiten der Logik nicht zufriedenstellend beantworten, und zwar aus dem Grund, weil es die Realidentifikation von eins und drei im Sinne von Quantität nicht geben kann. Insofern hätten die Muslime recht, wenn sie behaupten: die Dreieinigkeit sei absurd.

Aber, und das ist Muslimen oft nicht bewusst: Es geht nicht um Quantität, sondern um Qualität - auch wenn sich die Frage nach eins und drei zunächst ja unumstritten aufdrängt und auch besprochen werden muss.

Wenn aber, wie die Muslime sagen: Gott radikal einer ist, dann habe ich zwar eine saubere quantitative Aussage über Gott, die zunächst keine logischen Probleme impliziert, aber ich weiß dann noch nichts über seine Qualität und sein Wesen und erst recht weiß ich noch lange nichts darüber, wie sich dieses eine göttliche Wesen zu meinem menschlichen Sein verhält, denn genau hier liegt der große Unterschied zwischen Christentum und Islam. Im christlichen Gottesverständnis und seiner Offenbarung geht es um Gottes Selbstoffenbarung und Selbstmitteilung: Gott zeigt uns sein Gesicht in Jesus Christus.

Im Islam offenbart Gott primär seinen Willen und bleibt entschieden als der Eine in seinem Selbst unerreichbar und unvergleichlich in seiner Transzendenz zurück und entzieht sich damit all jenen Fragestellungen, die uns in der Trinitätstheologie und auch persönlich am meisten beschäftigen und betreffen: Wenn es Gott gibt, wie verhält er sich dann zu mir persönlich als Mensch? Und wie weit kann er dabei gehen, ohne sich selbst in seinem Gottsein zu gefährden, weil er sich als Gott auf mein Menschsein hin verhalten muss und gleichzeitig dabei uneingeschränkt ganz Gott bleiben will?

Fortsetzung folgt.

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